Ein Tag mit den Brückenprüfexperten der Tragwerksplanung
von Gregor Weber
Morgens halb zehn in Deutschland, nein das trifft es nicht ganz. Es muss: „Gern. 5:59 Uhr. 5 Grad Celsius. Die Frisur sitzt dank Wollmütze schon lang nicht mehr.“, heißen. Aber genug der medialen Nostalgie.
Es ist Montag, der 14. Oktober. Pünktlich als die Glocke der St. Georg Kirche die Hofmark erfüllte betraten Andreas (Obermaier und ich (Gregor Weber) den Hof unserer Zentrale in Gern. Für uns beide sollte es ein spannender und nicht alltäglicher Tag werden. Wir hatten an diesem Tag die Gelegenheit, unsere Brückenprüf-Experten, Thomas Geier und Hans-Simon Vogel, aus der Tragwerksplanung zu begleiten. Dabei durften wir hinter die Kulissen blicken und die beiden bei ihrer Arbeit beobachten.
„Es steckt auch sehr viel Intuition in der Arbeit"
Erster Tagesordnungspunkt: Kamera-Equipment zusammenbauen und einsatzbereit machen. Gerade rechtzeitig, denn Thomas und Hans-Simon waren auch schon angekommen und packten ihre Ausrüstung sowie ihre persönliche Schutzausrüstung in den Kofferraum. Wie geplant machten wir uns um 6:30 Uhr auf den Weg zur ersten Brücke über den Sempt Flutkanal. Auf dem Plan stand, an diesem Tag drei Brücken von unten zu überprüfen.
Die eineinhalbstündige Fahrt zur ersten Station nutzten wir, um ein kurzes Interview mit Thomas zu führen, in dem er uns den grundsätzlichen Ablauf einer Brückenprüfung erklärte.
„Es steckt auch sehr viel Intuition in der Arbeit,“ erklärte Thomas. „Man braucht ein gutes Gespür, ein gutes Gehör und Wissen darüber, wie sich die vor Ort verwendeten Materialien verhalten und wie sie mit ihrer Umgebung interagieren.“
Mit Hammer, Kreide, Rissbreitenmesser und Kamera
An der ersten Brücke angekommen wartete bereits das Brückenuntersichtgerät auf uns und Andi und ich schnappten unsere Kameras, um den Aufbau des Brückenuntersichtgeräts festzuhalten. Der Geräteführer baute das Gerät routiniert auf und und senkte die Plattform bis knapp über die Wasseroberfläche des Kanals. Nachdem wir die Traglast der Plattform mit dem Geräteführer geklärt hatten, durfte einer von uns Hans-Simon und Thomas begleiten. Wir waren mittendrin, statt nur dabei!
Unten angekommen, begannen die beiden mit ihrer Arbeit. Ausgerüstet mit Hammer, Kreide, Rissbreitenmesser und einer Kamera zur Dokumentation nahmen sie die Brücke genau unter die Lupe. Klopf, klopf, klopf – bisher klang alles gut, nichts hohl, was ein schlechtes Zeichen gewesen wäre. „Das müsste man sonst im Auge behalten und genauer untersuchen,“ erklärte Thomas.
Die Brücke zeigte minimale Risse, die von den beiden mit Kreide markiert und mit einem Foto dokumentiert werden. “Die Erfahrung zeigt, dass die Risse so bleiben werden. Es sind Schwindrisse die während dem Erhärten des Betons entstehen. Die findet man fast immer in Betonbauteilen, also nichts schlimmes” bestätigt uns Thomas. Es wird aber trotzdem alles akribisch dokumentiert, damit es bei der nächsten Prüfung in sechs Jahren wieder kontrolliert werden kann.
Dann entdecken die beiden noch einen Wasserschaden beim Übergang von einem Betonfertigteil zum Nächsten. Der Ortbeton wurde ohne Fuge durchgehend vergossen. Durch die einwirkenden Kräfte ist der Beton an dieser Stelle gerissen, und es dringt von oben Wasser durch. “Es wird auf jeden Fall mittelfristig notwendig werden, hier zu sanieren.” erklärt uns Thomas.
Von Karbonatisierung und ein streikendes Brückenuntersichtgerät
Nach einer kleinen Umbaupause durfte nun Andi die beiden begleiten und alles mit Fotoaufnahmen festhalten. Zweieinhalb Stunden und somit genau nach Zeitplan, war die Prüfung der ersten Brücke abgeschlossen.
Anschließend ging es durch Wartenberg zur zweiten Brücke, die über einen Nebenfluss der Sempt führt. Wie zuvor waren auch hier die Bauhof-Mitarbeiter vor Ort und hatten die Brücke für den Autoverkehr gesperrt. Schnell war das Gerät wieder aufgebaut und unter die Brücke geschwenkt – und dann passierte erstmal nichts. Das Gerät ließ sich plötzlich nicht mehr bewegen. Diese ungeplante Pause nutzten Andi und ich für ein kleines Interview mit Thomas vor Ort. Das Interview könnt ihr euch übrigens auf unsere, Kanal auf YouTube anschauen.
Schließlich bekam der Techniker das Gerät wieder zum Laufen und Thomas und Hans-Simon setzten ihre Arbeit fort. Andi und ich hatten derweil bereits überlegt, ob wir unsere Sachen packen sollten, um die beiden nicht weiter abzulenken. Doch dann rief mich Thomas zu sich auf die Plattform.
Was ich dann sah, bereitete mir ein etwas mulmiges Gefühl: Thomas klopfte gegen die Brücke und ein Stück der Betonummantelung brach ab und fiel in den darunterliegenden Fluss. Zum Vorschein kam die Bewehrung. “Der Beton schützt eigentlich die Bewehrung vor Korrosion, diese Schutzfunktion nimmt aber über die Zeit ab. Das nennt man Karbonatisierung, dann fängt die Bewehrung im Betoninneren das Rosten an. Der Rost vergrößert das Volumen und sprengt den Beton im Laufe der Zeit weg”, erklärt Thomas ganz entspannt. “Der Querschnittsverlust der Bewehrung ist aktuell noch so gering, dass es kein Thema ist, aber besser wird es nicht.”
Er bemerkt außerdem, dass die Bewehrung glatt ist, ein Zeichen das die Brücke schon ein älteres Baujahr hat. “Den gerippten Stahl gibt es seit den 60er Jahren. Das bedeutet, dass die Brücke mindestens 60, eher 100 Jahre alt ist. Für dieses Alter ist die Brücke noch in gutem Zustand”, meinte Thomas. Allerdings sollte in den nächsten Jahren ernsthaft über eine Erneuerung nachgedacht werden.
Nach einer weiteren halben Stunde konnte auch diese Prüfung abgeschlossen werden. Dies war für Andi und mich das Stichwort, den Heimweg anzutreten und die beiden ungestört zur dritten und letzten Brücke des Tages fahren zu lassen. Vielen Dank Thomas und Hans-Simon für diesen sehr spannenden Einblick in euren Arbeitstag.
Schritte bei der Brückenprüfung
Eine Brückenprüfung ist ein sorgfältiger und komplexer Vorgang, der sicherstellen soll, dass eine Brücke in einem sicheren und funktionsfähigen Zustand ist. In Deutschland orientieren sich Brückenprüfungen an den Vorgaben der DIN 1076, die detaillierte Richtlinien zur Inspektion und Wartung von Brückenbauwerken vorgibt:
- Vorbereitung: Planung, Dokumentation sichten, Ausrüstung bereitstellen.
- Visuelle Überprüfung: Allgemeine und detaillierte Sichtprüfung.
- Klopfprüfung und Messtechnik: Hohlstellen überprüfen, Rissmessung.
- Untersuchung der Unterseite und schwer zugänglicher Bereiche: Einsatz von Spezialgeräten, Fotografieren.
- Materialanalyse und Prüfung: Probennahme, Beton- und Stahlinspektion.
- Auswertung und Dokumentation: Prüfbericht erstellen, Besprechung der Ergebnisse.
- Nachverfolgung und Maßnahmenplanung: Maßnahmen festlegen, regelmäßige Nachprüfungen.